Sophie_vom_Scheidt

Sophie vom Scheidt – aus der Serie „Her Choice“

Ihr großes Geheimnis ist, dass sie in Frankfurt am Main geboren wurde und mit einem Jahr nach Berlin kam. Die 36-Jährige Sophie vom Scheidt fühlt sich dennoch durch und durch als Berlinerin – selbst wenn auf ihrem Lebenslauf steht, dass sie woanders zur Welt kam. Auf die Frage, was sie bisher beruflich gemacht habe, sagt Sophie, dass man das ebenfalls auf ihrem CV nachlesen könne. Das zu Fakten verkürzte Leben würde allerdings keine Auskunft darüber geben, wer sie als Mensch sei.

Auf dem Lebenslauf von Sophie steht das Datum, wann sie Abitur gemacht hat. Es steht dort nicht, dass die 19-Jährige danach nach Israel ging, um für ein halbes Jahr in einem Kibbuz zu leben. Und dass sie dort für sich herausgefunden hatte, was sie am meisten im Leben schätzt: In der Natur mit Mensch und Tier sein. Dass der Duft von Orangenblüten heute noch ein wehmütiges Gefühl in ihr auslöst und sie an diese Zeit erinnert, als sie mit ihren Hunden in der Wüste unter freiem Himmel schlief.

Sophies Lebenslauf gibt Auskunft über ihre Ausbildung. Sie hat Modedesign an der FHTW Berlin studiert. Dass die Entscheidung vor allem praktischer Natur war, erfährt man nicht. Das Studium sollte handwerklich und nicht so lernintensiv sein. Ebenso wenig ist vermerkt, dass Sophie bereits während ihres Studiums immer wieder ins Ausland ging. Vor allem nach Palästina und in die Westbank. Weil sie nach ihrem Aufenthalt in Israel aktiv helfen wollte.

Im Curriculum Vitae der Designerin steht, wann sie während ihres Studiums ein Semester in Amsterdam verbrachte. Die Daten erzählen aber nicht, dass es sie lange Zeit sehr viel Kraft gekostet hatte, von ihren Auslandsaufenthalten wieder nach Berlin zurück zu kehren. Dass Sophie deshalb den Laden mit fair produzierter und gehandelter Kleidung, den sie mit einer Freundin unmittelbar nach dem Studium am Heinrichplatz eröffnete, nach einem Jahr verließ. Sie ging zurück nach Amsterdam. Weil das Fernweh zu groß war. Die Verantwortung auch.

Sophies Entschluss, 2009 nach Berlin zurück zu gehen, bleibt im CV gänzlich unerwähnt – die Beweggründe dafür auch. Die Tabelle eines CVs hält hier keine Spalte bereit. Man weiß nicht, dass ihr alter Arbeitgeber sein Unternehmen aufgelöst hatte. Und dass die Aussicht freiberuflich tätig zu sein, Sophie in Berlin als weniger schwierig einschätzte.

Laut Lebenslauf gründete die Modedesignerin 2010 ihr eigenes Label SOOPH. Sie entwirft ausschließlich Jacken. Weil Jacken wie Ikonen seien, erklärt Sophie. Dass sie zwischenzeitlich recht erfolgreich mit dem eigenem Label war, ist nicht notiert. Ebenso die Tatsache, dass sich Sophie gegen ein Wachstum des eigenen Unternehmens entscheidet. Es liege ihr nicht, mit großen Zahlen zu jonglieren, meint sie.

2014 nimmt sie einen festen Job als CSR-Managerin bei Iriedaily an. Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sollten mit Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen, findet die Designerin. Aus dem Lebenslauf ist nicht heraus zu lesen, dass eine feste Anstellung für sie in erster Linie eine große Unabhängigkeit bedeutete – vor allem hinsichtlich des Wunsches ein Kind zu bekommen.

Der berufliche Werdegang von Sophie vom Scheidt gibt kaum Auskunft über ihre Werte. Noch über jene, die sie ihrer Tochter vermitteln möchte. Dass es richtig ist, seine Träume zu realisieren. Dass es in Ordnung ist, wenig zu besitzen. Dass man immer die Richtung ändern kann, um neue Wege einzuschlagen. Weil es den „geht nicht“-Gedanken nicht geben sollte. Dass es letztlich ganz egal ist, was auf dem Lebenslauf steht. Dass es auf die ungeschriebenen Zeilen dazwischen ankommt. Weil sie es sind, die den Menschen zu dem machen, der er ist.