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Kalt gepresst und heiß gebraten – eine Reportage

Wer sich bewusst ernährt, sollte auf Olivenöl ‚extra nativ‘ in seiner Küche nicht verzichten. Was ist aber bei der Herstellung entscheidend, damit auch wirklich qualitativ hochwertiges Öl auf dem Tisch landet?

Vor dem jungen Mann türmt sich ein Berg mit Säcken auf. Giorgos, der nur zur Saison in der Ölmühle arbeitet, hievt einen schweren Jutebeutel nach dem anderen herunter. Er öffnet einen Sack und schüttelt den Inhalt auf das Gitter, auf dem er steht. Tausende von Oliven ergießen sich um ihn herum. Von dort gelangen sie über ein Förderband zu dem Gebläse, das Blätter und kleine Äste von den Früchten pustet. Danach geht es in das Bad. Im Wasser vollführen die Oliven eine Art Tanz – immer wieder hüpfen einzelne von ihnen in die Luft. Die ist geschwängert von einem ungewohnten Geruch. Er ist leicht säuerlich und erinnert an frische Erde.

Moritz Hauff hilft Giorgos mit den Säcken. Der aus Berlin stammende Olivenbauer überwacht jeden Schritt der Produktion. Während des Reinigungsvorgangs steht der gelernte Gärtner neben dem Wasserbad und sortiert eigenhändig die Oliven aus, die von Insekten befallen sind oder Schadstellen aufweisen. „Die mindern auch die Qualität des Öls“, erklärt der 40- Jährige. „Dieses Jahr hatten wir beispielsweise große Probleme mit der Olivenfruchtfliege. Die hätte uns beinahe die ganze Ernte kaputt gemacht.“ Deshalb mussten sie diesmal besonders früh ernten, berichtet Moritz weiter. „Da wir ausschließlich mit Biofallen arbeiten, ist eine frühzeitige Ernte am wirkungsvollsten.“ Nach ihrem Tanz im Bad kommen die Oliven in ein Hackwerk. Dort werden sie inklusive Kern zerkleinert. Damit beginnt der Produktionsablauf, an dessen Ende aus den Oliven Öl gewonnen wird.

Es ist ein verregneter Novembertag auf dem westlichsten Zipfel der südlichen Peloponnes. Das bedeutet für die Erntehelfer, dass sie sich einen Tag ausruhen können. Denn bei Nässe ist es zu gefährlich, in die Bäume zu gehen. Die Mühle ist aber geöffnet. Auf dem Parkplatz neben dem Gebäude, das sich am Ortseingang von Petalidi befindet, liegen ordentlich aufgereihte kleine Haufen. Jeder Stapel gehört einem anderen Bauern. Manchmal herrscht während der Saison soviel Betrieb, dass die Säcke mehrere Tage herumliegen. Die Oliven sollten jedoch so schnell wie möglich verarbeitet werden, erklärt Dominique Hauff, die Frau von Moritz. „Jeder weitere Tag hat eine Qualitätsminderung des Öls zur Folge.“

Die Qualität und das Gütesiegel von Olivenöl sind für den deutschen Kunden jedoch kaufentscheidend. Bei kaum einem anderen Lebensmittel wird so sehr auf Herkunft, Verarbeitung und Güte geachtet wie bei Olivenöl. Oberstes Qualitätsmerkmal ist die Bezeichnung ‚extra nativ‘. Allerdings herrschen nur schwammige Vorstellungen darüber, welche Standards für diesen Titel erfüllt werden müssen. Immer noch kursiert der veraltete Begriff „erste Kaltpressung“. „Der ist aber schlichtweg falsch“, sagt Moritz. „Nirgendwo wird das Öl mehr als einmal, noch wird das Öl wirklich kalt gepresst.“ Laut Gesetz darf nicht über 27 Grad Celsius erhitzt werden, ganz kalt geht es aber auch nicht. In der Mühle von Petalidi achtet er persönlich darauf, dass die Temperatur 25 bis 26 Grad Celsius nicht übersteigt.

Das Ehepaar Hauff hat vor zehn Jahren mit der Produktion von Öl begonnen. „Von Anfang an war die besondere Qualität des Öls entscheidend. Unsere Freunde erzählten uns, dass sie derartig gutes Öl in deutschen Supermärkten nicht bekämen, obwohl mittlerweile fast alle als ‚extra nativ‘ gelabelt sind“, berichtet Dominique. Die Hauffs produzieren ihr Öl ausschließlich sortenrein. Sie ernten zu einem frühen Zeitpunkt, damit der Säuregehalt möglichst gering ist. „Das ist auch entscheidend für den Anteil an Polyphenolen im Öl“, erklärt die 45-Jährige, die eigentlich gelernte Physiotherapeutin ist. „Die schützen vor Oxidation und machen das Öl haltbarer. Zudem wirken sie wie Antioxidantien entzündungshemmend.“ Je reifer eine Olive ist, desto weniger Polyphenole enthält sie.

Aber nicht nur der Erntezeitpunkt ist entscheidend. „Natürlich verlief die Herstellung des Öls nicht ohne Anfängerfehler“, erinnert sich Moritz. „Es war viel ‚learning by doing‘.“ Anfangs war ihnen nicht bewusst, wie wichtig es für die Qualität des Öls ist, dass die Oliven direkt am Tag der Ernte verarbeitet werden. Deshalb muss es schnell gehen, wenn sich – manchmal sehr plötzlich – der Messenische Golf hellgrau gegen dunkle Wolken abhebt und die silbrig glänzenden Blätter der Olivenbäume im Wind zu schaukeln beginnen. Die letzten Bäume sollten abgeerntet sein, bevor es anfängt zu regnen. „Da wir in der Regel im November, spätestens Anfang Dezember ernten, kann es schon mal vorkommen, dass es ein paar Tage hindurch schüttet“, berichtet Moritz.

Dominique und er hieven die schweren Säcke mit den Oliven auf den Anhänger ihres Autos. Auf dem Weg in die Mühle regnet es heftig. Immer wieder müssen sie dicken Kröten ausweichen, die nun scheinbar alle gleichzeitig die Straße zu überqueren versuchen. Während sie an unzähligen Olivenhainen vorbei düsen, erzählen die Hauffs, dass häufig Unkrautvernichtungsmittel verwendet werden. „Es wird immer noch auf etlichen Feldern Glyphosat eingesetzt. Viele Bauern halten das für ganz unbedenklich, einfach weil das halt seit Generationen so gemacht wird“, erzählt Dominique. Sie und ihr Mann legen viel Wert darauf, auf jede Form von chemischen Mitteln zu verzichten und nur biologische Dünger zu verwenden. Das sei auch ein entscheidender Faktor für die Qualität von Olivenöl. „Erkannt haben wir auch, dass viele, die vom Öl leben müssen, weniger qualitätsbewusst produzieren, um mehr ernten zu können.“ Den Grund dafür sieht Moritz darin, „dass die Bauern immer noch das gleiche Geld für einen qualitativ minderwertigen Liter Öl im Verkauf an die Ölmühle erhalten wie für einen Liter Öl aus einer Produktion ohne Pestizide.“

In der Ölmühle herrscht trotz der Neonröhren gedämpftes Licht. Es ist sehr laut. Das wundert nicht, da die Zentrifuge in dem Dekanter ca. 3.000 Umdrehungen pro Minute erzeugt. Dort kommt die Maische hinein – ein Brei aus zerhackten Oliven, der zuvor in einer Knetwanne 20 Minuten gerührt wurde. Im Dekanter wird der Most (ein Öl-Fruchtwasser-Gemisch) vom Trester (so nennt man die verbliebenen festen Bestandteile der Frucht) getrennt und in einem letzten Arbeitsschritt das Öl vom Most extrahiert.

Ein hellgrüner, beinahe fluoreszierender Strom ergießt sich in den bereitgestellten Kanister. „Jetzt muss das Öl noch zwei bis drei Wochen in Edelstahlfässern ruhen, damit sich die Schwebstoffe absetzen“, erläutert Moritz. „Erst dann kann mit der Abfüllung begonnen werden.“ Auch das machen er und Dominique eigenhändig in ihrem Haus in Kalamaki, wo sie einen Teil des Jahres verbringen. Zuhause in Berlin, freuen sich bereits Freunde und Verwandten auf ihr Öl. „Das sich übrigens hervorragend zum Braten eignet. Dafür sorgt der hohe Polyphenolgehalt des Öls“, erklärt Dominique. Entgegen der weitverbreiteten Meinung kann es sehr wohl hoch erhitzt werden. „Bis zu 180 Grad Celsius sind gar kein Problem“, sagt sie und räumt mit einem weiteren Klischee über ‚extra natives‘ Olivenöl auf.